Multiple Sklerose

Hier erhalten Sie Informationen und Fakten über die Krankheit MS, deren Symptome, Verlauf und Vorkommen.

Krankheitsbild

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch fortschreitende, neurologische Erkrankung, die das zentrale Nervensystem betrifft (ZNS = Gehirn und Rückenmark).

Was heisst das?

Nervenzellen haben die Aufgabe, Signale unserer Umwelt oder aus dem Inneren des Körpers an unser Gehirn zu melden und von diesem Befehle entgegenzunehmen. Das alles geschieht über elektrische Impulse. Diese Impulse wandern entlang der Nervenfasern, die durch Myelin isoliert sind.

Bei MS finden zwei Prozesse statt:

  1. Die eigene Nervenisolierschicht wird irrtümlicherweise vom Immunsystem angegriffen und abgebaut (Autoimmunvorgang). Es werden lokale Entzündungsherde im ZNS verursacht und die Myelinschicht wird zerstört (Demyelinisierung).
  2. Es spielen auch abbauende Vorgänge eine Rolle, bei denen die Nervenfasern (Axone) und -zellen beschädigt werden.

Als Folge treten Störungen in der Signalweiterleitung auf. Diese Störungen lösen unterschiedliche Einschränkungen und Behinderungen aus.

MS tritt meist im früheren Erwachsenenalter auf und ist die häufigste neurologische Krankheit, die in diesem Lebensabschnitt diagnostiziert wird. Davon sind dreimal so viele Frauen wie Männer betroffen. Selten kann sich MS bereits im Kindesalter entwickeln.

Keine MS gleicht der anderen, es können vielfache Symptome und Behinderungen einzeln oder in Kombination auftreten. Die Störungen betreffen verschiedene Körperfunktionen wie das Sehen oder Gehen, oder sie lösen Schmerzen aus. Viele MS-Betroffene leiden zusätzlich an nicht sichtbaren Symptomen wie grosser Müdigkeit (Fatigue) oder Konzentrationsschwächen.

Durch die Behandlung kann der Verlauf der Krankheit gemildert werden, nicht alle MS-Betroffenen sprechen jedoch gleich gut darauf an.


Vorkommen

MS gehört nicht zu den sogenannten «seltenen Erkrankungen». Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass jemand in Ihrem näheren Umfeld mit MS lebt: In der Schweiz geht man von rund 18‘000 Betroffenen aus.

Bei 75% der Erkrankten zeigen sich die ersten Symptome im Alter von 20-45 Jahren.

Bei 3-10% kann sich die MS bereits im Kindesalter entwickeln, seltener auch bei über 50-jährigen Erwachsenen. Insbesondere bei der nicht schubförmigen MS, nämlich der primär progredienten Form (von Beginn an schleichend-zunehmender Verlauf) beginnt die Erkrankung meist erst nach dem 40. Lebensjahr.

Frauen sind im Verhältnis 3:1 häufiger von MS betroffen als Männer. Vermutet werden hormonelle Einflüsse sowie geschlechterspezifische Unterschiede des Immunsystems.

Artikel: «18'000 MS-Betroffene in der Schweiz»


Ursache

Die genaue Ursache von MS ist nach wie vor nicht bekannt.

Es wird ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren, etwa die genetische Veranlagung und Umwelteinflüsse, vermutet. Beispiele dafür wären bestimmte Viren als Infektionserreger (etwa Epstein-Barr Virus), Vitamin D-Mangel oder geografische Besonderheiten. Vermutlich müssen mehrere Faktoren und Einflüsse zusammentreffen, damit die MS ausgelöst wird.

Das Abwehrsystem des Körpers (Immunsystem) übernimmt bei MS eine zentrale Rolle. Es schützt den Körper vor Krankheitserregern, wenn diese in den Körper eindringen. Einige dieser Immunabwehrzellen sind bei MS fehlgeleitet und greifen fälschlicherweise körpereigne Substanzen im zentralen Nervensystem (ZNS) an und schädigen dieses.


MS-Symptome

Im Laufe einer MS-Erkrankung sind in der Regel verschiedene Regionen des ZNS vom Krankheitsprozess betroffen. Je nach Region sind die Symptome sehr unterschiedlich. Sie variieren nicht nur von Person zu Person, sondern können auch bei derselben Person unterschiedliche Ausprägungen haben, die von Dauer und Schweregrad der Erkrankung sowie von der jeweiligen Tagesform abhängig sind.

Die Symptome der Multiplen Sklerose sind körperlich oft sichtbar. Betreffen sie die kognitive und emotionale Ebene, dann sind sie jedoch selten auf den ersten Blick sichtbar.

Mögliche Symptome können sein:

  • Müdigkeit (Fatigue): körperliche und/oder geistige Erschöpfbarkeit
  • Gangstörungen und Koordinationsprobleme: Gleichgewicht, unsicherer Gang, Schwierigkeiten beim Greifen
  • Sehstörungen: verschwommenes Sehen, Doppeltsehen oder Einschränkungen des Sehvermögens
  • Sensorische Störungen: Kribbeln, Taubheit oder Schmerzen
  • Muskelschwäche: teilweise oder komplette Lähmung bestimmter Muskeln
  • Muskelsteifheit und Spastizität (Spastik): Muskelverkrampfung, Steifheit und Schwierigkeiten beim Bewegen
  • Blasen- und Darmprobleme: Kontrollverlust beim Wasserlassen und Stuhlgang, Teil- oder komplette Inkontinenz
  • Kognitive Probleme: Schwierigkeiten mit dem Gedächtnis, der Konzentration und anderen Funktionen, die beispielsweise das Denken und Verstehen betreffen
  • Emotionale Veränderungen: Depressionen, Stimmungsschwankungen, selten auch Angstzustände
  • Schmerzen: einschiessend oder anhaltend, an bestimmten Körperstellen

Die «typische» MS gibt es nicht, man spricht deshalb auch von der Krankheit mit den 1’000 Gesichtern. Manche Symptome treten bei vielen Betroffenen auf, aber kaum jemand erfährt alle möglichen Symptome. Zudem können einige Personen milde Symptome haben, während andere schwerwiegende und fortschreitende Symptome erfahren.


Verlauf

Multiple Sklerose verläuft unvorhersehbar und sehr individuell. Auch kann der Verlauf über die Jahre eine andere Form annehmen. Eine Prognose bezüglich der Schwere des Verlaufs oder der möglichen Beeinträchtigungen ist daher nur unter grossem Vorbehalt möglich.

Bilden sich Symptome nach einem Schub schnell und komplett zurück, oder ist nach den ersten 10 Krankheitsjahren keine Behinderung aufgetreten, wird dies als eher günstiges Zeichen für den zukünftigen Verlauf beurteilt.

Was ist ein Schub?

Ein Schub führt zu einem akuten neurologischen Funktionsausfall, der wiederum zu MS-Symptomen führt. Er entwickelt sich innerhalb weniger Stunden oder über einige Tage und dauert unterschiedlich lange.

Ein Schub ist als solcher definiert, wenn:

  • die für die MS charakteristische Schädigung der Nervenbahnen (erneut) einsetzt,
  • dies zu Symptomen führt und der Zustand länger als 24 Stunden andauert,
  • ein Zeitabstand von 30 Tagen seit dem letzten Schub besteht,
  • und dieser nicht durch eine Infektion oder Fieber bedingt ist.

Es wird zwischen mehreren Verlaufsformen unterschieden:

  • RRMS - Schubförmig remittierende MS (remittierend = zurückbildend)
  • SPMS - Sekundär chronisch progrediente MS (ab einem späteren Zeitpunkt schleichend zunehmend)
  • PPMS - Primär chronisch progrediente MS (von Anfang an dauernd zunehmend)

Die Entzündungen im ZNS treten beim schubförmig remittierenden Verlauf in akuten Phasen auf. Die dadurch verursachten Symptome verschwinden zumindest teilweise wieder. Beim sekundär chronisch progredienten Verlauf und dem primär chronisch progredienten Verlauf hingegen geht die Verstärkung der Symptome schleichend voran.

  • Schubförmige MS - RRMS

    Bei rund 85% der der Betroffenen beginnt die MS mit Schüben.

    Die Symptome und damit einhergehenden Beschwerden können sich nach einem Schub wieder zurückbilden. Jedoch können sich Beschwerden auch nur teilweise zurückbilden oder sie bleiben ganz bestehen.

    Zwischen den Schüben findet keine Verschlechterung des Gesundheitszustands statt.

  • Primär-chronisch-progrediente MS - PPMS

    Rund 10-15% der Betroffenen haben von Anfang an eine langsame, chronische (kontinuierliche) Zunahme von Symptomen und damit einhergehenden Beschwerden. Ruhigere Phasen im Verlauf sind möglich.

  • Sekundär-chronisch-progrediente MS - SPMS

    Die SPMS geht aus der schubförmigen MS hervor: Die Schübe treten im Laufe der Zeit weniger häufig auf und werden durch eine kontinuierliche Zunahme der Symptome abgelöst. Phasen, in denen die Krankheit stabil bleibt, sind möglich.

    Bei etwa 60-80% findet der Übergang von der schubförmigen in die sekundär chronisch-progrediente MS nach 10-20 Jahren statt. Das hat Konsequenzen für die Beeinträchtigungen und Lebensqualität, zudem muss die medikamentöse Therapie angepasst werden.

    Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung haben einen positiven Effekt auf diese Entwicklung.


Diagnose

Die Anfangsbeschwerden der MS können sehr vielfältig sein. Für die genaue Abklärung ist eine gründliche klinische Untersuchung durch eine erfahrene Neurologin, einen erfahrenen Neurologen wichtig. Die Untersuchung dient sowohl dem Ausschluss anderer Erkrankungen, die ähnliche Symptome wie die MS haben, und dem Erkennen von MS-spezifischen Faktoren.

Einen einzigen «MS-Test» zur Diagnosestellung gibt es nicht. Besteht ein Verdacht auf eine MS, werden verschiedene Untersuchungen gemacht und nach festgelegten Kriterien – «McDonald-Kriterien 2017»  – vorgegangen. Erfüllen die Ergebnisse die Kriterien, steht die MS-Diagnose oder ein sogenanntes Klinisch Isoliertes Syndrom (CIS = Vorstufe der MS) fest.

Untersuchungsmethoden

Die Untersuchungen dienen sowohl dem Ausschluss anderer Erkrankungen, die ähnliche Symptome wie die MS verursachen können, wie auch der Feststellung spezifischer MS Faktoren.

  • Anamnese

    Die Untersuchung beinhaltet eine genaue Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese). Hierbei können auch Schilderungen von Angehörigen oder Drittpersonen einbezogen werden.

    Frühere, zurückliegende Symptome können nur in wenigen Fällen als erste Anzeichen von MS gedeutet werden und nur dann, wenn diese nicht durch eine andere Ursache zu erklären sind.

  • Neurologische Untersuchung

    Mittels klinischer Untersuchung wird der sogenannte Neurostatus erfasst. Diese Untersuchung umfasst im Wesentlichen die Überprüfung folgender Aspekte:

    •    Funktion der Augen
    •    Funktion der Hirnnerven
    •    Empfindung von Berührung, Temperatur und Schmerzen
    •    Muskelkraft und Muskelspannung
    •    Koordination der vegetativen Funktionen (Zusammenspiel der Nervenleitung für Harnblase, Mastdarm, Sexualorgane)

    Die Ergebnisse werden standardisiert ermittelt und dokumentiert.

  • Magnetresonanz-Tomographie (MRI)

    Beim MRI (Magnetic Resonance Imaging) wird ein Magnetfeld eingesetzt, um das zentrale Nervensystem bildlich darzustellen. Mit einem Kontrastmittel, das durch die Vene ins Blut verabreicht wird, können aktive Entzündungsherde (Läsionen) in Gehirn und Rückenmark (ZNS) sichtbar gemacht werden. Verschiedene MRI-Messmethoden geben Auskunft über das Alter der Läsionen und den Gewebeverlust im ZNS.

    Das MRI ist nicht nur ein Mittel zur Diagnosestellung, sondern es dient auch zur Kontrolle und Standortbestimmung während des Krankheitsverlaufs.

  • Evozierte Potenziale

    Als evozierte Potenziale wird eine neurologische Untersuchungsmethode bezeichnet, mit deren Hilfe die Leitfähigkeit und damit die Funktionsfähigkeit von Nervenbahnen getestet werden kann. Das Prinzip beruht auf der Reizung eines Sinnesorgans oder peripheren Nervs und der anschliessenden Messung des dadurch ausgelösten elektrischen Signals (Potentials) im zentralen Nervensystem.

    Es wird festgestellt, ob die Leitungsgeschwindigkeit eines Nervs durch die teilweise oder gänzliche Zerstörung der Myelinschicht verzögert oder ganz unterbrochen ist. Hierzu werden kleine Elektroden am Kopf angebracht, mit denen die Hirnströme überwacht und die Reaktionen auf zum Beispiel visuelle oder akustische Reize festgestellt werden.

    Normalerweise reagiert das Gehirn fast sofort, aber im Falle einer Schädigung kann eine Verzögerung eintreten. Durch das evozierte Potential kann auch die Leitungsgeschwindigkeit der Nerven im Rückenmark festgestellt werden.

    Dieser Test ist nicht schmerzhaft und wird ambulant durchgeführt.
    •    Visuell evozierte Potenziale (VEP): durch Reizung des Sehsystems
    •    Sensibel evozierte Potenziale (SEP): durch Reizung der Haut
    •    Motorisch evozierte Potenziale (MEP): durch Reizung von Kopf, Hand- und Fussmuskeln

  • Lumbalpunktion

    Bei einer Lumbalpunktion (LP) wird aus dem Rückenmarkskanal etwas Nervenwasser (Liquor) entnommen. Sind im Liquor bestimmte Eiweisskörper, sogenannte oligoklonale Banden (OKB), vorhanden, deutet das auf eine Entzündung im zentralen Nervensystem hin.

    Die Lumbalpunktion dient auch dazu, andere Erkrankungen, etwa Borreliose (verursacht durch einen Zeckenbiss), auszuschliessen.

Diagnostische Kriterien nach McDonald

Die McDonald-Kriterien sind eine diagnostische Richtlinie für die Multiple Sklerose. Sie werden regelmässig aktualisiert, um den aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse und Technologien widerzuspiegeln.

Die McDonald-Kriterien erlauben frühzeitig in der Erkrankung eine standardisierte Diagnosestellung einer MS. Sind die Kriterien erfüllt und sind andere Krankheiten als Ursache ausgeschlossen, gilt die MS-Diagnose als gesichert.

Die aktuellste Version der McDonald-Kriterien ist von 2017. Hier sind einige der wichtigsten Punkte dieser Version:

  • Klinische Symptome, die zu einer MS passen
  • Vorhandene entzündliche Zeichen in der Rückenmarksflüssigkeit (Liquor), die aufgrund einer MS vorkommen
  • Magnetresonanzuntersuchung (MRI) von Hirn und Rückenmark, mit folgenden Erkenntnissen:
    • Vorhandensein von Läsionen in verschiedenen Bereichen des zentralen Nervensystems (ZNS)
    • Vorhandensein von Läsionen von neuen oder sich entwickelnden Läsionen zu einem anderen Zeitpunkt als die bereits vorhandenen Läsionen
    • Passende Läsionen, die zu den Symptomen führen

EDSS-Score

Der Expanded Disability Status Scale (EDSS) ist ein Bewertungssystem bei Multipler Sklerose. Er erstreckt sich von 0-10 Punkten. Mittels EDSS wird der Schweregrad der Behinderung durch MS einheitlich erfasst.

Der EDSS dient dazu, den Verlauf der MS zu überwachen, die Situation der MS-Betroffenen besser zu verstehen und Entscheidungen über die Behandlung und Unterstützung zu treffen.

Der EDSS umfasst verschiedene Bereiche:
-    Gehfähigkeit
-    Sehfähigkeit
-    Koordination und Armfunktion
-    Sensibiliät
-    Blasen- und Darmfunktion
-    Kognitive Funktion

Kinderwunsch bei MS

Sie wünschen sich Kinder? MS muss kein Grund sein, auf Kinder zu verzichten! Lesen Sie hier Informationen zu Risiken, Verlauf und Umgang mit MS-Medikamenten.

MS und der Wunsch Kinder zu haben, schliessen sich nicht aus. Medizinisch gesehen spricht nichts gegen eine Schwangerschaft, allerdings liegt sie idealerweise  in einer stabilen Phase der MS und sie sollte mit dem behandelnden Neurologen und einer Gynäkologin geplant werden. Machen Sie sich darüber hinaus schon im Voraus Gedanken dazu, wer das Kind versorgt, falls die Erkrankung verstärkt aktiv ist oder sich weiter verschlechtert.

Fruchtbarkeit

Die Fruchtbarkeit (Fertilität) von Männern und Frauen mit MS ist nicht eingeschränkt. Dennoch sind von MS betroffene Frauen häufiger kinderlos oder haben weniger Kinder als gesunde Frauen. Ob dies eine biologische Ursache hat, ist bisher nicht bekannt. Untersuchungen zeigen, dass es bei unbehandelten Frauen mit einer hohen Krankheitsaktivität eher zu Abweichungen in der Menge an Sexualhormonen kommen kann. Nach jetzigem Wissensstand wird die Fruchtbarkeit von wenigen MS-Therapien beeinflusst.

Unerfüllter Kinderwunsch bei der Frau

Studien zeigen, dass durch Kinderwunschbehandlungen (Reproduktionsmedizin) Schübe ausgelöst werden können. Wird eine Frau nach einer Stimulationstherapie schwanger, ist das Schubrisiko minimal. Zum Schutz vor Schüben wird empfohlen, die MS-Therapie während der Stimulation beizubehalten und diese abzusetzen, wenn der Schwangerschaftstest positiv ist. Das genaue Vorgehen sollte mit dem behandelnden Neurologen besprochen werden.

Schwangerschaft

Studien unbehandelter MS betroffener Frauen zeigen, dass das Schubrisiko im Verlauf der Schwangerschaft abnimmt, es jedoch nach der Entbindung wieder zu einem Schubanstieg kommen kann. Ob dies auch für Frauen gilt, die unter einer MS-Therapie schwanger geworden sind oder die Therapie erst kurz vor Eintritt einer Schwangerschaft abgesetzt haben, ist bisher nicht untersucht. Die Erfahrung zeigt, dass das Schubrisiko in der Schwangerschaft umso höher ist, je höher die Krankheitsaktivität zuvor war. Insbesondere wenn stärker wirksame MS-Therapien abgesetzt werden, können in der Schwangerschaft Schübe auftreten. Die Höhe des Risikos im Einzelnen ist nicht bekannt. Daher sollte eine Schwangerschaft, besonders bei hochaktiver MS, nach Rücksprache mit dem behandelnden Neurologen geplant werden. In jedem Fall sollten Frauen mit MS (wie gesunde Frauen auch) bereits während der Planung der Schwangerschaft Folsäure einnehmen.

Geburt

Der Schwangerschaftsverlauf von MS betroffenen und gesunden Frauen ist ähnlich. Einschränkungen für die Geburt sollten sich durch die MS nicht ergeben. Der Schubanstieg nach der Geburt ist unabhängig von der Art der Entbindung.

Auf eine Periduralanästhesie (PDA) während der Geburt muss nicht verzichtet werden. Die PDA beeinfluss den Schubanstieg nach der Entbindung nicht. Trotz MS kann auch eine Spinalanästhesie oder eine Vollnarkose bei einem Kaiserschnitt angewendet werden.

Nach der Geburt

Muttermilch ist die beste Ernährung für ein Baby. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt 4-6 Monate ausschliesslich zu stillen und dann sukzessive Beikost einzuführen. In der Regel können Frauen mit leichter bis moderater Krankheitsaktivität stillen, wenn sie möchten. Stillen hat keinen negativen Effekt auf die Schubrate, ein positiver Effekt konnte nur von einem Teil der Studien belegt werden. Es gibt keine allgemeine Empfehlung, wie schnell nach dem Stillen wieder mit der MS-Therapie begonnen werden soll. Besprechen Sie Ihren Wunsch zu stillen mit Ihrem Neurologen und der Gynäkologin.

Frauen, die nicht stillen möchten oder eine hohe Krankheitsaktivität vor und während der Schwangerschaft haben, wird die zügige Wiederaufnahme der MS-Therapie in den ersten zwei Wochen nach der Geburt empfohlen.

Männer mit MS

Männer müssen die gängigen MS-Medikamente – bis auf wenige Ausnahmen - in der Regel vor einer geplanten Zeugung nicht absetzen. Bei Spermien schädigenden Medikamenten besteht die Möglichkeit, vor der Therapie einer Samenspende zu machen und diese durch Einfrieren (Kryokonservierung) der aufzubewahren.

Verhütung

Eine Abschwächung der Wirkung oraler Kontrazeptiva (Pille) sind für die zugelassenen MS-Therapien nicht bekannt. Einzig das Auftreten von Durchfall als Nebenwirkung kann zu einer verminderten oder aufgehobenen Wirksamkeit der Pille führen. Eine Schwangerschaft unter Einfluss gewisser Medikamente muss während der Therapie zuverlässig verhindert werden. Es wird MS-Betroffenen beider Geschlechter empfohlen, die Therapie bei diesen Medikamenten mindestens 6 Monate vor einer geplanten Schwangerschaft abzusetzen.

Auch müssen Männer und Frauen während der Behandlung mit diesen Medikamenten und 6 Monate nach der letzten Dosis verhüten. An den Tagen der Tabletteneinnahme und 4 Wochen danach muss bei Verhütung mit der Pille ein zusätzlicher Schutz, z.B. Kondom, angewandt werden (doppelte Verhütungsmethode).

Sicherheitsdaten in Schwangerschaft und Stillzeit

Die gängigen MS-Medikamente sind in der Schwangerschaft und Stillzeit gar nicht oder nur eingeschränkt zugelassen. Die aktuell verfügbaren Daten zur Anwendung der wichtigsten MS-Therapien und Schubtherapeutika in Schwangerschaft und Stillzeit werden im MS Infoblatt «MS-Medikamente und Familienplanung» aufgeführt.