Progressive Multiple Sklerose: Rolle von Entzündung und Alterung

Fachartikel

Die Schweizerische Multiple Sklerose Gesellschaft unterstützt die Forschung im Bereich MS mit erheblichen Mitteln. Darunter ist auch ein Projekt, das die grundlegenden Mechanismen der progressiven MS unter die Lupe nimmt.

Multiple Sklerose ist eine Krankheit, die das Gehirn und das Rückenmark betrifft – auch als zentrales Nervensystem (ZNS) bekannt – und zu Problemen wie Schwierigkeiten beim Gehen und Denken führt. MS beginnt üblicherweise mit Episoden, in denen sich die Symptome zeitweise verschlimmern und dann wieder verbessern. Im Laufe der Zeit gelangen jedoch viele Menschen mit MS in eine Phase, in der sich die Symptome kontinuierlich verschlechtern, bekannt als progressive MS (PMS).

Trotz Fortschritten in der Behandlung der ersten Episoden von MS sind die Behandlungen für PMS nicht sehr wirksam, und es gibt keine guten Methoden, um vorherzusagen, wer diese schwerere Form entwickeln wird. Forscher vermuten, dass sowohl das Altern als auch langfristige Entzündungen im Gehirn eine Schlüsselrolle bei diesem Übergang spielen.

Um diese Vorgänge besser zu verstehen, verwenden wir ein Krankheitsmodell, das der MS sehr ähnlich ist: Wir untersuchen, wie sich Entzündungen und Gewebeschäden im Gehirn und Rückenmark mit dem Alter verschlimmern.

Durch den Einsatz fortgeschrittener Techniken zur Untersuchung einzelner Immunzellen bei Mäusen haben wir herausgefunden, dass ältere Mäuse mehr Fresszellen (sogenannte Phagozyten, eine Art von Immunzellen) in ihr ZNS aufnehmen. Diese Fresszellen scheinen auch besser dazu ausgerüstet zu sein, Nervengewebe zu schädigen. Ausserdem haben wir festgestellt, dass das Knochenmark älterer Mäuse, aus dem diese Zellen stammen, eine höhere Anzahl von frühen Zellen aufweist, die sich zu Fresszellen entwickeln können. Gleichzeitig sind die reiferen Zellen, die sich direkt in Fresszellen verwandeln, weniger geworden, weil sie schnell produziert, ins Blut abgegeben und dann ins ZNS gezogen werden.

Diese Studie beleuchtet, wie das Altern mit einer Zunahme bestimmter Fresszellen und ihres Entwicklungsprozesses verbunden ist, was die Entzündung im ZNS im Alter verschlimmern kann. Das Verständnis dieser Veränderungen könnte zu besseren Methoden führen, um PMS bei Betroffenen mit zunehmendem Alter vorherzusagen, zu behandeln oder sogar zu verhindern.

Meine Motivation

Seit meiner Schulzeit hat mich die Forschung aufgrund der intellektuellen Herausforderung und der Möglichkeit, spezifische Themen tiefgehend zu analysieren, angezogen. In meiner Rolle als Neurologin hat die Forschung die Art und Weise, wie ich meine tägliche Arbeit angehe, verändert. Sie ermöglicht es mir, Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen wie MS, für die noch effektive Behandlungen gesucht werden, zu unterstützen und zu inspirieren. Dies hat mich dazu veranlasst, ein Team aus multidisziplinären Experten mit einem ausgeprägten Interesse an der Neuroimmunologie aufzubauen, das getrieben ist von dem Bestreben, bessere Therapien für MS zu entdecken.

Indem wir untersuchen, wie chronische Entzündungen und Alterung die als Fresszellen bekannten Immunzellen beeinflussen, hoffen wir, gezielte Behandlungen speziell für Patienten mit der progressiven Form der MS zu entwickeln.

Rachel Lindemann

Forschungsteam

Rachel Lindemann, Sara Pereira, Laura Oberbirchler, Donatella De Feo
Universität Zürich | Institut für Experimentelle Immunologie