Gesichter der MS 2024: Anny-Lynn Wulsch

Gesichter der MS

Ich bin Anny-Lynn, Spitzname Anny. Ich bin 27 Jahre alt und Mama von einem wundervollen 3-jährigen Sohn. Ich arbeite noch 3 Tage die Woche in einer Bar in Biel-Bienne, wo ich auch lebe.

Wann bekamst du die Diagnose MS? Welche Verlaufsform «hast du»? Welche Symptome belasten dich am meisten?
Ich bekam meine erste Verdachtsdiagnose im Dezember 2021 als meine gesamte rechte Seite taub war. Im Dezember 2022 bekam ich dann durch einen Schub mit Sprachstörungen die endgültige Diagnose. Ich habe starke Fatigue, welche mich im Alltag sehr einschränkt, und mein Bein funktioniert auf langen Strecken und beim Rennen nicht gut und braucht Unterstützung durch eine Knieorthese, mit dieser laufe ich aber zum Glück fast normal.

Am schlimmsten sind meine Fatigue und meine Muskelspasmen, weil sie mich im Alltag stören und ich oft nicht alles machen kann.

Welche Schlagzeile würdest du 2024 gerne über dich lesen?
Anny hat alle Hürden überwunden und erreicht alle ihre Ziele.

Wenn du dir eine «Superkraft» aussuchen dürftest, welche wäre das und warum?
Andere heilen können, um anderen helfen zu können.

Wenn du deiner MS ein Tattoo widmest? Welches Motiv? Welcher Text? Wo am Körper?
Ich werde mir nächstes Jahr ein Tattoo am Oberarm stechen lassen. Es wird etwas, das fürs Kämpfen und für Stärke steht, um mich daran zu erinnern, nie aufzugeben.

Was macht dir Stress und wie drückt sich der Stress bei dir aus? Was tust du dagegen?
Es stresst mich, nicht so für meinen Sohn da sein zu können, wie ich das gern wollen würde. Das macht mich am Ende noch müder und führt zu einem Teufelskreis. Ich versuche mich dann zu beruhigen, den Druck rauszunehmen, auch wenn es schwer ist.

Ferien am Meer oder in den Bergen? Was findet deine MS besser?
Ich habe beides noch nicht versucht, ich denke allerdings eher, die Berge würden passen. Wärme tut mir leider nicht mehr so gut.

Was sollte dein soziales Umfeld gerne öfter tun? Was lassen?
Ich finde, die Leute sollten sich mehr informieren und weiterbilden im Thema MS und über Symptomatiken. Viele haben Verständnis, viele allerdings auch nicht. Wenn ich wieder mal absagen muss, sollte bitte niemand sauer oder traurig sein, ich möchte gerne, schaffe es dann aber einfach nicht.

Kopf oder Herz/Bauchgefühl? Auf was vertraust du im Alltag?
Ich würde, wann immer möglich, auf mein Herz hören.

Welches Kompliment hat man dir zuletzt gemacht?
Dass ich stark bin und nie aufgebe. Es ist schön, so gesehen zu werden.

Was bedeutet Familie für dich?
Meine Familie ist alles für mich, sie unterstützt mich, wo sie kann, und hilft wann immer möglich.

Du und der Schlaf: Freund oder Feind?
Beides, ich benötige leider zu viel davon und helfen tut es doch nicht. Aber es ist schön, kurz abzuschalten.

Wie findest du es, wenn wir über «promintente» MS-Betroffene, wie zum Beispiel Selma Blair, Christina Applegate oder Kuno Lauener berichten? Was wäre deine erste Frage an einen von ihnen? Und an wen?
Ich finde es super, weil es zeigt: Wir sind nicht alleine. Ich weiss allerdings nicht, was ich fragen würde.


Würdest du gerne einmal für ein Jahr im Ausland leben? Wo? Was hält dich davon ab?
Ich würde gerne ein Jahr nach Amerika, aber ohne meine Familie ist das unmöglich.

Was wolltest du als Kind (beruflich) werden? Hat dich die MS gebremst, es zu werden?
Ich wollte immer Menschen helfen, allerdings habe ich mich später für den Verkauf entschieden und in dem Bereich gelernt. Die MS macht es mir aber leider unmöglich, in den Verkauf zurückzugehen.

Wenn deine MS ein Tier wäre, welches und warum?
Eine Schlange, weil sie leise kommt und in deinem Körper Biss für Biss ihr Gift verteilt.

Hat sich aus deiner Sicht in den letzten Jahren etwas verändert in der Gesellschaft oder Politik gegenüber chronisch kranken Menschen? Was ist vielleicht besser oder schwieriger geworden?
Ich finde, die Leute werden aufmerksamer und es wird mehr Wissen verbreitet. Es ist endlich kein Tabu mehr. Allerdings könnte es noch mehr Informationsmöglichkeiten geben, um noch mehr wach zu rütteln. 

Wenn Du morgen zum «Bundesrat für Forschung gegen die MS» ernannt wirst, was sind deine ersten 3 Massnahmen?
Ursachenforschung, um herauszufinden wie man MS vermeiden könnte
Forschung über Fatigue als Symptom
Forschung an weiteren Behandlungsmethoden, vielleicht auch ohne Medikamente

Wie stark hat die Diagnose MS deine Einstellung zum Leben verändert? Gibt es bestimmte Dinge, die du vor der Diagnose über das Leben und die Gesundheit geglaubt hast, die sich seitdem verändert haben?
Die MS hat alles auf den Kopf gestellt. Ich lebe bewusster, schaue mehr zu mir selbst. Ich weiss jeden Tag mehr zu schätzen und jede meiner Körperfunktionen. Ich geniesse jeden Tag mehr.

Du darfst für 24 Stunden in die Haut eines anderen Menschen schlüpfen. Wer würdest du sein wollen? Und warum?
Ich würde niemand anderer sein wollen.

Umgekehrt: Wer sollte mal einen Tag lang dein Leben mit MS führen? Warum?
Jeder, der sagt, «man sieht doch nichts, so schlecht kann es dir nicht gehen» oder, «du lügst, du bist viel zu jung.» Damit all diese Leute verstehen, wie sehr wir «MS-ler» jeden Tag kämpfen müssen.

Stell dir vor du könntest mit deiner MS sprechen, was würdest du ihr sagen/sie fragen wollen?
Ich würde sie fragen, was als nächstes kommt oder was sie benötigt, um ruhig zu bleiben - und ich würde fragen: Warum ich?

Zu welcher Tageszeit erlebst du deine besten Momente? Warum?
Nachmittags, nach dem Mittagsschlaf, weil ich dann nochmal ein kurzes Hoch habe und für wenige Stunden Energie habe.

Wurdest du schon mal auf Grund der MS nicht ernst genommen? Wie bist du damit umgegangen?
Ja, ich wurde von den Behindertenplätzen im Bus weggeschickt, weil ich meine Schiene nicht anhatte und man mir nichts ansah. Der Mann beschwerte sich, dass die jungen Leute immer diese Plätze besetzen. Ich bin dann gegangen, weil ich nicht streiten wollte, war aber sehr verletzt.

Wenn du ein Vorurteil gegen MS aus den Köpfen der Menschheit löschen könntest, welches wäre das?
Dass MS immer im Rollstuhl endet.

Hast du Kontakt zu anderen MS Betroffenen? Hilft dir der Austausch mit anderen MS Betroffenen?
Es hilft mir sehr. Ich bin in einer Fatigue-Gruppe und wir sehen uns regelmässig, um den Umgang mit der Fatigue zu lernen und um uns auszutauschen. Es hilft unglaublich und ich würde es jedem ans Herz legen.

Was unterscheidet dich von anderen MS-Betroffenen?
Jeder ist individuell, jeder hat andere Symptomatiken und Kämpfe.

Wenn du einen Tag ohne MS-Symptome erleben könntest, wie würdest du diesen Tag gestalten?
Ich würde mit meinem Sohn irgendwo hinfahren und den ganzen Tag geniessen, ohne Pausen. Genauso, wie er es wollen würde.

Welche Beziehung hast du zur Schweiz. MS-Gesellschaft? Nimmst du Beratung, Angebote oder Dienstleistungen in Anspruch?
Die MS-Gesellschaft hat mir so sehr geholfen. Ihre Informationen helfen sehr und auch dank der MS- Gesellschaft bekomme ich IV, da mir die Sozialberaterinnen sehr geholfen haben.

 


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