Die Rolle der Persönlichkeit bei Multipler Sklerose

Fachartikel

Die Schweizerische Multiple Sklerose Gesellschaft unterstützt die Forschung im Bereich MS mit erheblichen Mitteln. Unter den geförderten Projekten ist auch eines, das die Auswirkung bestimmter Persönlichkeitsmerkmale auf den Behinderungsgrad untersucht.

Multiple Sklerose ist eine Erkrankung, deren Verlauf nicht immer vorhersehbar ist. Dies bedeutet, dass Betroffene mit einer gewissen Unvorhersehbarkeit in Bezug auf das Auftreten und/oder die Verschlechterung ihrer Symptome konfrontiert sind. In den Berichten von Menschen mit MS wird oft eine kämpferische, optimistische Persönlichkeit als ein Faktor beschrieben, der die Anpassung an die Krankheit fördert.

Interessanterweise wurden in einer aktuellen Studie Zusammenhänge zwischen bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen und dem Behinderungsgrad der MS aufgezeigt. Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel dieses Projekts, die Rolle der Persönlichkeit bei MS besser zu verstehen, indem Messungen integriert werden, die teilweise erklären könnten, wie sich bestimmte Persönlichkeitsmerkmale auf den Behinderungsgrad auswirken.

So beinhaltet dieses Projekt neben Persönlichkeits- und Behinderungsmessungen auch eine umfassende Beurteilung des kognitiven und emotionalen Profils, insbesondere der Anpassungsfähigkeit, der kognitiven Reserve (die Fähigkeit des Gehirns, zu improvisieren sowie alternative Wege zur Aufgabenlösung zu finden – quasi ein Schutzmechanismus bei Schädigungen im Hirn) sowie der kognitiven Funktionen (z. B. Gedächtnis und Aufmerksamkeit). Zudem soll getestet werden, ob Persönlichkeitsveränderungen im Verlauf der Erkrankung auftreten können und ob diese mit dem Verlauf der Behinderung in Verbindung gebracht werden können.

Dazu haben wir 43 Personen, die 2019 einen Persönlichkeitsfragebogen ausgefüllt hatten, erneut kontaktiert und ihnen eine zweite Auswertung inklusive einer ausführlichen neuropsychologischen Untersuchung zur Beurteilung der oben genannten Aspekte angeboten.

Mit diesem Projekt möchten wir zunächst aufzeigen, wie wichtig es ist, bei einzelnen MS-Betroffen unterschiedliche Betreuung (interindividuell) zu berücksichtigen. Auch soll gezeigt werden, dass diese Aspekte einen Einfluss auf den Krankheitsverlauf haben können.

Anschliessend erhoffen wir uns, durch den Einbezug einer umfassenden neuropsychologischen Profilabklärung Aufschluss über die Zusammenhänge zwischen Persönlichkeit und Behinderung geben zu können. Damit soll schliesslich bewirkt werden, dass bereits bei Diagnosestellung gezielte Betreuungs- und Unterstützungsleistungen angeboten werden könnten.

Meine Motivation

Ich habe ein ausgeprägtes Interesse für interindividuelle Unterschiede, insbesondere in der Persönlichkeit, und wie sich diese auf das Wohlbefinden und die mentale Gesundheit auswirken können. Da MS eine Krankheit mit einem sehr heterogenen (uneinheitlichen) Krankheitsverlauf ist und sich in einer für die Identitätsentwicklung wichtigen Lebensphase abspielt, erscheint mir die Erforschung dieser Unterschiede umso sinnvoller.

Zudem denke ich, dass die Integration eines personenzentrierten Ansatzes, der nicht nur die Persönlichkeit, sondern auch den gesamten Lebenskontext jedes Einzelnen einbezieht, von Vorteil sein könnte und eine bessere Begleitung ermöglichen kann.

Isabele Jacot de Alcântara
 

Forschungsteam

Isabele Jacot de Alcântara, Julie Péron
Universität Genf | Fakultät für Psychologie